Von unserem Redakteur Andreas Jöckel
Es war am Nachmittag des 12. Juni als die Familie Krämer aus Langenhahn die Wiesen um ihre vier Karpfenteiche bei Hinterkirchen zum letzten Mal im Normalzustand gesehen hatte. Am kommenden Morgen wurden sie von einem Spaziergänger informiert, dass große Mengen Müll an der Elbenteichanlage abgelagert worden seien. Eigentümerin Karola Krämer fuhr mit ihrem Ehemann und Sohn hin. Die Familie war schockiert, dort eine ganze Lkw-Ladung Unrat vorzufinden. Sie verständigten die Polizei in Westerburg. Kurz darauf erkannte der Sohn, dass Cannabispflanzen aus den großen Säcken mit Erde ragten. Nach einem erneuten Anruf verständigten die Beamten der Westerburger Polizeiinspektion ihre Kollegen der Kripo in Montabaur.
Die Kripobeamten kamen sofort zur Spurensicherung: Sie nahmen Proben der Cannabispflanzen, um sie gegebenenfalls genetisch einer Zucht zuordnen zu können. Sie packten unter anderem ein Paar Turnschuhe und eine Colaflasche ein, begutachteten Ventilatoren sowie Tageslichtlampen, Bewässerungs- und Abluftanlagen.
Für die Polizei im Westerwaldkreis ist ein Fund dieser Größenordnung einmalig. Die sogenannten "Indoor-Anlagen" sind schwer ausfindig zu machen. Oft kann nur ein stark erhöhter Stromverbrauch auf die Drogenzucht in einem Gebäude hinweisen. Von wo die Anlage stammt, ist noch unklar. Die Ermittlungen dauern an.
Familie Krämer hatte indessen wochenlang nichts mehr gehört und deshalb bei der Polizei den Stand der Dinge erfragt. Dort wurde sie jedoch an die Kreisverwaltung verwiesen. Von der kam dann am 11. Juli ein Schreiben, in dem sie aufgefordert wird, den Abfall zu entsorgen. Wörtlich heißt es: "Bei den abgelagerten Gegenständen handelt es sich um Abfall im von Sinne § 3 des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Sie sind daher, soweit keine Wiederverwertung möglich ist, ordnungsgemäß zu entsorgen." Und weiter: "Auch wenn Sie selbst die Abfälle nicht abgelagert haben, sind Sie als Grundstückseigentümer Besitzer der widerrechtlich abgelagerten Abfälle geworden." Der Grund: Nach Auskunft der Polizei ist aus den illegalen Drogen in den vergangenen Wochen normaler Abfall geworden. Statt Strafrecht gilt Abfallrecht.
Karola Krämer ist verärgert und amüsiert zugleich: Soll sie etwa versuchen, die Geräte oder Pflanzen wiederzuverwerten? Kann sie die Erde einfach für ihre Blumen verwenden oder läuft sie dann Gefahr, dass bald illegale Pflanzen auf ihrem Grundstück sprießen? Sie fühlt sich von den Behörden im Stich gelassen. Die Kreisverwaltung zeigte indessen nach Anfrage unserer Zeitung Verständnis für den Unmut der Eigentümer: "Wir werden eine einvernehmliche Lösung finden", versichert der Sprecher von Landrat Achim Schwickert, Karl Kahn.