Westerburg/Mainz - Erstmals gibt es eine detaillierte Schilderung zu dem Prügelvideo aus Westerburg und seiner Vorgeschichte. Innenminister Roger Lewentz trug sie im Innenausschuss des Landtags vor - während die beschuldigten Beamten vom Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.
Von unserem Redakteur Dietmar Brück
Der Fall prügelnder Polizisten im Westerwald schlägt weiter Wellen. Jetzt musste Innenminister Roger Lewentz (SPD) im Innenausschuss des Landtags Rede und Antwort stehen. Dabei versuchte er, den Ablauf der Ereignisse genau und schonungslos zu schildern, was auch die CDU-Opposition anerkannte.
Nach jetzigem Ermittlungsstand schlug ein Bezirksbeamter einem gefesselten Mann mehrfach ins Gesicht, wie auch die Videobilder zeigen. Der Leiter der Polizeiinspektion Westerburg und sein Stellvertreter müssen in das Geschehen involviert gewesen sein.
Nach Erkenntnissen des Innenministeriums trugen sich die Ereignisse wie folgt zu: Am 22. Mai, 14.50 Uhr, wird die Polizeiinspektion Westerburg vom Verkaufspersonal eines Getränkemarkts über einen Diebstahl informiert. Ein Mann hat mehrere Flaschen Alkohol aus dem Regal genommen, wird aber vom Personal erwischt und festgehalten. Vor dem Eintreffen der Polizei gelingt es ihm, das Weite zu suchen. Eine Fahndung läuft an. Schon bald stoppen ein 40-jähriger Polizist und eine 26-jährige Polizistin einen Verdächtigen, der bereits einschlägig wegen Heroinbesitz, Eigentums- und Gewaltdelikten bekannt ist. Er leidet nach Polizei-Erkenntnissen an der Infektionskrankheit Hepatitis C.
Die Polizei stellt Diebesgut sicher. Der Mann protestiert, reißt die Tür des Streifenwagens auf, steigt ein und versucht, die Beweismittel wieder an sich zu reißen. Er weigert sich auszusteigen. Die beiden Polizisten ziehen ihn an den Armen und seiner Kleidung aus dem Wagen. Daraufhin geht der mutmaßliche Täter auf den Polizeibeamten los. Dieser drückt ihn – wegen der Ansteckungsgefahr – mit dem Arm mehrfach weg. Der Mann wird aggressiver. Als er angreift, setzt der Polizist Pfefferspray ein. Die Polizisten, die das Gerangel aus der Dienststelle beobachten, eilen zur Hilfe.
Das sind der Bezirksbeamte, der Leiter der Polizeiinspektion Westerburg und dessen Stellvertreter. Alle drei werden auf die Ansteckungsgefahr wegen der Hepatitiserkrankung hingewiesen. Der Mann wird trotz heftiger Gegenwehr gefesselt. Daraufhin kehrt der Dienststellenleiter in die Inspektion zurück.
Dann spuckt der Mann dem Bezirksbeamten aus kurzer Distanz ins Gesicht und versucht, ihn zu treten. Jetzt eskaliert die Situation. Der Bezirksbeamte schlägt dem mutmaßlichen Täter mehrfach ins Gesicht. Später wird er sagen, er habe weitere Angriffe abwehren wollen.
Das Video, das von unserer Zeitung veröffentlicht wurde und den Fall ins Rollen brachte, zeigt auch Schläge und Tritte gegen den gefesselten Mann. Die Schilderungen der betroffenen (und inzwischen suspendierten) Polizisten weichen von diesem Sachverhalt zum Teil deutlich ab. Die Ermittler dürften noch Arbeit haben, um den Fall aufzuklären.
Die beschuldigten Beamten machen derzeit von ihrem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Der Geschädigte wurde von der nun federführenden Kriminalinspektion Betzdorf vernommen. Die Zeugin, die das belastende Video aufnahm, ebenfalls. Sämtliches Videomaterial ging an die Staatsanwaltschaft. Innenminister Lewentz versprach eine komplette Aufklärung.