Westerburg/Koblenz - Der brutale Baseballschläger-Überfall auf einen Mann (48) in Westerburg schockierte die Menschen bis weit über den Westerwald hinaus. Zwei Männer (25, 22) sollen ihr Opfer in einer Dezembernacht 2012 vor einer Disco grundlos mit einem Baseballschläger niedergeschlagen und blutüberströmt im Schnee liegen gelassen haben. Jetzt stehen die mutmaßlichen Täter wegen versuchten Totschlags vor dem Landgericht Koblenz. Beide sagen, sie waren am Tatort. Aber: Keiner will die Schläge verübt haben, jeder bezichtigt den anderen.
Baseballschläger-Hiebe gegen Hinterkopf, Ohr und Auge – es muss ein Akt brachialer Gewalt gewesen sein: Am ersten Prozesstag zeigte ein Gutachter, wie einer der Täter mit dem Holzknüppel von hinten zugeschlagen haben muss – mit beiden Armen überm Kopf, mit voller Wucht. Das Opfer erlitt mehrere Rissquetschwunden am Kopf, das Ohr wurde eingerissen, der Oberschenkelhals gebrochen.
Die Nacht auf den 2. Dezember 2012 war der wohl schlimmste Moment im Leben des 48-Jährigen – dabei begann alles so harmlos: Am Adventsamstag guckt er zu Hause Fußball, Bayern gegen Dortmund. Später besucht er mit seiner Frau den Pfefferkuchenmarkt in Westerburg, dann allein die Kneipe Die Funzel. Gegen 4 Uhr will er heim. Er bekommt kein Taxi, also geht er zu Fuß.
Die Angeklagten, ein Pole (22) und ein Türke (25), verbrachten den Abend nach eigenen Angaben so: Sie schnupfen tagsüber „mehrere Nasen" Amphetaminpulver. Gegen 19 Uhr leeren sie eine Flasche Whiskey. Sie fahren mit dem Auto durch Westerburg, besuchen den Pfefferkuchenmarkt, dann die Disco Cha-Cha. Jeder trinkt vier Flaschen Bier. Der 25-Jährige schnupft noch mehr Amphetamin. Immer wenn er merkt, dass der Alkohol ihn betrunken macht. Denn er behauptet allen Ernstes: Die Droge macht ihn nüchtern.
Gegen 4 Uhr verlassen die Männer die Disco. Was dann passiert, stellten sie im Prozess völlig unterschiedlich dar. Der Pole erklärte: Sie gingen zum Auto, fuhren ein paar Meter zur Wohnung einer Freundin. Doch sie war nicht da. Plötzlich sah sein Kumpel den 48-Jährigen auf der Straße. Er dachte, es sei der Türsteher vom Cha-Cha. Er fing Streit mit ihm an. Als der vermeintliche Türsteher wegging, holte sein Kumpel den Baseballschläger aus dem Auto und prügelte auf ihn ein.
Der Türke schilderte im Prozess eine ganz andere Geschichte: Ja, er habe sich mit dem 48-Jährigen gestritten. Warum? Weil dieser sie angesprochen habe, als sie an Autotüren rüttelten, um bei passender Gelegenheit Radios zu stehlen. Aber nicht er schlug auf den Mann ein, sondern sein Freund. Das kam so: Er rannte dem 48-Jährigen nach und grätschte ihm in die Beine. Plötzlich kam sein Freund dazu und schlug mit dem Baseballschläger zu.
Das Opfer, ein kräftiger Typ mit breiten Schultern, ist seit der Tat ein gebrochener Mann. Am Dienstag humpelte er in den Gerichtssaal und erzählte sein Martyrium. Dass er die Angeklagten ermahnte, weil sie an Autotüren zogen und eine Flasche zerschlugen. Dass er den Schmerz im Kopf spürte und erst in der Klinik wieder zu sich kam. Dass er seit der Tat nicht mehr arbeiten, nicht mehr richtig laufen und schlafen kann. Dass er eine Metallplatte im Kopf trägt, zum Psychologen geht und die Tat einfach nicht versteht.
Einer der Angeklagten entschuldigte sich bei dem Mann. Zugleich beteuerte er erneut: „Ich habe Sie ehrlich nicht mit dem Baseballschläger geschlagen." Der Prozess geht am 11. Juni weiter.
Von unserem Redakteur Hartmut Wagner