Höhr-Grenzhausen - Welches Schwein rennt schon von allein zum Metzger? Eine Wildsau hat das am 27. November 2011 in Höhr-Grenzhausen getan. Der Keiler war in eine Metzgerei im Zentrum gerannt und hatte das Personal und eine Kundin in Angst und Schrecken versetzt, bis er vom Jagdaufseher erschossen wurde. Das ZDF hat den Fall jetzt aufgegriffen und einen Beitrag darüber gedreht. Dieser soll einer Sondersendung der Reihe "Terra X" gezeigt werden, die sich mit Vorfällen mit Wildschweinen in Städten befasst.
Petra Gabler von der Produktionsfirma ZDF Digital hat mit ihrem Team die Ereignisse chronologisch nachgedreht: Aus dem Wald oberhalb der Stadt macht sich die Sau am Samstagmorgen um 10.40 Uhr auf einen Bummel durch die City. In der Schneebergstraße rennt der Keiler geradewegs in eine Metzgerei. Der Inhaber, eine Verkäuferin und eine 72-jährige Kundin können sich in einen Nebenraum retten, während das Wildschwein im Laden und in der Warenauslage randaliert und ein komplettes Regal zerstört. Von nebenan beobachtet Metzger Rainer Krämer, wie das Tier im Laden auf- und abrennt. "Nach einer gefühlten Ewigkeit war die Sau wohl ausgepowert und hat sich neben die Theke gelegt", erinnert sich Krämer. Die Polizei war bereits alarmiert, hatte den Platz vor dem Laden gesichert und Jagdaufseher Gerd Scherf informiert. Um 11.30 Uhr schließlich kam Scherf mit einem großkalibrigen Gewehr durch die Hintertür und erlegte das Tier.
Etwa 250 Schwarzkittel habe er schon erlegt, sagt Scherf: "Aber das war der dickste Koffer, den ich je geschossen habe." Die Ausmaße des Tieres kann Metzger Krämer bestätigen, der das Tier verwerten durfte, nachdem bei einer Untersuchung keine Krankheiten festgestellt worden waren. Ausgenommen brachte der Keiler noch fast 120 Kilogramm auf die Waage. Rund 60 Kilogramm Schinken und Wurst wurden daraus.
Viel kleiner mutet dagegen der ausgestopfte Keiler an, mit dem das ZDF-Team die Szenerie wie in einem Spielfilm nachstellt. Auf Rollen gestellt, wird das Präparat vor der Kamera in die Metzgerei geschoben. Mehrfach wird die Szene aus verschiedenen Perspektiven gedreht, bis Petra Gabler und der Kameramann zufrieden sind. Auch für Darsteller und Statisten wird die Aufnahme zum Geduldsspiel. Ein ganzer Drehtag ist eingeplant. Bei den Innenaufnahmen wird eine Verkaufsszene gedreht. Schließlich noch einmal von innen, wie die Sau in den Laden kommt, die Menschen darin sich erschrecken und fliehen. Die Laufszenen des Schweins werden hauptsächlich aus dessen Perspektive gedreht. Das heißt, es wird einfach die Kamera durch den Laden bewegt. Das bei der Randale zerstörte Regal ist eigens nachgebaut worden. Wenn der Keiler schließlich stirbt, wird ihm einfach "schwarz vor Augen".
Bei den Außenaufnahmen zeigen Beamte, wie sie den Platz räumen und mit Polizeiband absperren. Mit dabei ist Polizeioberkommissar Patrick Georg, der damals mehrere Anrufe von Bürgern, die das Wildschwein gesehen hatten, und schließlich den Notruf aus der Metzgerei entgegennahm. Sein Kollege Polizeioberkommissar Ralf Beck war damals vor Ort und erinnert sich gut daran: "Priorität hatte, die Menschen in Sicherheit und möglichst weit weg vom Laden zu bringen." Dutzende Schaulustige hätten sich dort versammelt. Verständnislos erinnert sich Beck an einen Mann, der mit einem Kleinkind auf dem Arm mit seinem Handy durchs Schaufenster filmte. "Unsere Munition ist für ein Tier dieser Größe nicht geeignet. Da sind größere Kaliber nötig", so Beck, "deshalb mussten wir weiträumig absperren, falls es durchs Schaufenster bricht."
Rainer Krämer ist nach wie vor verärgert darüber, dass er den Schaden von rund 5000 Euro nicht ersetzt bekam. Zwar sei er gegen Vandalismus versichert, aber nur im Zusammenhang mit Einbruchsdiebstahl. Die Versicherung zahlte nichts.
Von unserem Redakteur Andreas Jöckel